Sie befinden sich hier: Home » Aktuelles » Soziale Isolation: Obdachlos in der Corona-Krise

Das lange Warten

Soziale Isolation: Obdachlos in der Corona-Krise

Text und Fotos: Anke Patt I SKM Köln

Es ist still an diesem sonnigen Mittwochmittag in der Stadt mit K. Würde man jemand, der die Zeiten der Corona-Krise nicht selbst erlebt, von der Leere auf der Domplatte und dem Bahnhofsvorplatz erzählen, er müsste es am heutigen Tag für einen Aprilscherz halten.  Doch die Realität der ausgestorbenen Stadt trifft gerade nahezu jeden Menschen hart, besonders aber die Menschen ohne die Möglichkeit eines Rückzugs in die eigenen vier Wände. Denn die soziale Isolation, von der praktisch alle Menschen gerade betroffen sind, ist für Obdachlose besonders hart. In Zeiten leerer Straßen heißt das für sie außerdem, auf der Straße zu sitzen und um Geld oder Essen zu bitten, aber kein Mensch geht vorbei. Das führt dazu, dass sich die meisten Obdachlosen nicht einmal ihre kleinsten Bedürfnisse erfüllen könnten. Auch der zwischenmenschliche Kontakt entfällt, Vereinsamung droht.

Vertraute Strukturen und soziale Kontakte brechen weg

Manni und Peter, Besucher der Kontaktstelle für Wohnungslose des SKM Köln (Sozialdienst Katholischer Männer) am Kölner Hauptbahnhof, vermissen daher wohl gerade am meisten ihr „Wohnzimmer“, wie der Aufenthaltsraum im 1. Stock des Karl-Joseph-Hauses oft liebevoll genannt wird. Zusammensitzen, vertraute Gesichter treffen, beim Essen oder Kaffee quatschen oder einfach mal den Kopf auf den Tisch legen – das alles geht seit 10 Tagen nicht mehr. Auch die gewohnte Struktur – vom Flaschensammeln bis zur Nutzung der gewohnten Angebote mit vertrauten sozialen Kontakten – ist in der fast menschenleeren Stadt weggebrochen. Das Corona-Virus hat alle(s) fest im Griff. War anfangs noch der Aufenthalt in den Räumen möglich, wenn auch mit großem Abstand und strengen Hygieneauflagen, so dürfen die Räume zum Postabholen, Telefonieren, zur Beratung, zum Duschen oder Toilettengang – sowie zur Nutzung des Drogenkonsumraums im 2. Stock – jetzt nur noch einzeln betreten werden. Das Angebot wurde weitgehend nach draußen verlagert.

Sanitärmobil ergänzt Möglichkeiten in den Einrichtungen

Die Zahl der Wartenden zur Entgegennahme der Lunchpakete am Vormittag ist groß. Hinter den Tischen vor der Eingangstür des Hauses stehen zahlreiche Mitarbeitende und geben die Tüten mit Broten, Obst, Süßem und Getränken aus. An diesem Tag sind es 150 solcher Pakete. Außerdem werden Kaffee und Tee an die Wartenden ausgeteilt und Gespräche jetzt eben auch mal hier geführt. In der Einrichtung selber ist es leer. Auf den inzwischen zusammengeschobenen Tischen vor den Fenstern, an denen sonst die Besucher sitzen, stapeln sich Handtücher und Duschzeug. Seit Sonntag steht ergänzend zu den Möglichkeiten in den Einrichtungen ein Sanitärmobil unweit davon am Bahnhofsvorplatz. Die Sanitäreinrichtung verfügt über Toiletten und Duschen und steht täglich von 10:00 bis 16:00 Uhr zur Verfügung. Da die Öffnungszeiten des Mobils innerhalb der Angebotszeiten der SKM-Einrichtungen liegen, stehen immer zusätzlich persönliche Ansprechpartner und Sozialarbeiter zur Verfügung.

Gemeinsam engagiert

Heute schieben Noah und Johannes dort Dienst. Die beiden jungen Männer engagieren sich ehrenamtlich für die Kölner Bahnhofsmission (getragen von INVIA). Die Betreuung dieses Zusatzangebotes erfolgt gemeinsam mit Ehrenamtlichen des SKM Köln und des SkF Köln. In den beiden Kontaktstellen des SKM Köln am Hauptbahnhof, versucht man derweil das  Angebot für die Wohnungslosen und Drogenabhängigen so gut wie möglich fortzuführen. Dieses wurde in enger Abstimmung der beiden Einrichtungen zeitlich sogar erweitert und kann derzeit wochentags von 8:30 bis 19:45 Uhr und an den Wochenenden von 8:30 Uhr bis in den späten Nachmittag genutzt werden. Auch der mobile medizinische Dienst ist weiterhin – in den gewohnten Zeiten – vor Ort.

Stückweise Normalität durch Aufrechterhaltung der Hilfen

Jane van Well, Sachgebietsleiterin „Niedrigschwellige Hilfen“ im SKM Köln, zeigt sich zufrieden. Das Angebot werde gut angenommen, die Stimmung sei gut, auch wenn die Besucher gerne die Räumlichkeiten in gewohnter Weise nutzen würden. Das gilt in besonderer Weise, weil die fehlenden mitmenschlichen Kontakte und die erzwungene Einsamkeit doch vielen zu schaffen macht. Bis zur Zurückgewinnung von Normalität wird es wohl noch eine ganz zeitlang dauern. Deshalb versucht der SKM Köln mit allen Mitteln, das Angebot für die Hilfebedürftigen aufrechtzuerhalten, um ein Stück Normalität in ungewissen Zeiten herzustellen.

Das derzeitige Angebot der existenzsichernden Hilfen des SKM Köln finden Sie hier

https://www.skm-koeln.de/corona-pandemie-veraenderte-angebote-der-gesundheits-und-integrationshilfe/

Weitere News